Challenge Roth

Am 18.07.2010 war es so weit: Ich startete zu der größten sportlichen Herausforderung meines bisherigen Lebens, mein erster Triathlon über die Langdistanz. Um 04:00 Uhr klingelte der Wecker und ich nahm mein Frühstück von drei hellen Semmeln zu mir. Da mein Blutzucker bei 250 mg/dl lag, gab ich einen normalen Bolus von 9 Insulineinheiten ab, um den ihn nicht weiter ansteigen zu lassen. Dann kontrollierte ich alle meine Sachen und erledigte die morgendliche Toilette.

Trotzdem stieg mein BZ leider weiter auf Werte von über 300mg/dl an. Ich gab erstmal dem Frühstück die Schuld für den Anstieg und spritzte keinen Korrekturbolus. Ich machte mich auf den Weg in die Wechselzone, um mein Rad für das Rennen fertig zu machen: Luftdruck kontrollieren, Startnummernband und Radbrille bereitlegen, Radschuhe befestigen und das BZ-Testgerät auf dem Oberrohr festkleben. Nochmal schnell den BZ testen und damit auch kontrollieren, ob das Gerät auch wirklich funktioniert. Werte von immer noch mehr als 300mg/dl liesen mich dann doch leicht erschrecken, und so gab ich einen vorsichtigen Bolus zur Korrektur ab. Danach machte ich mich auf den Rückweg zum Campingbus, nicht ohne nochmals den BZ zu kontrollieren. Dieser blieb nun erstmal stabil, so dass ich nichts weiter unternahm. Am Bus zog ich mir meine Wettkampfkleidung an und packte meine Schwimmsachen zusammen. Zusammen mit meiner Frau ging ich dann wieder zum Schwimmstart, und kontrollierte abermals meinen BZ. Nun war er endlich am fallen und auf dem Weg zu normalen Werten. Kurz vor dem Schwimmstart wurde es dann hektisch. Vor lauter Leuten war kein durchkommen, so dass ich mich von meiner Frau verabschiedete und mich alleine durch die Menschenmassen drängelte. Am Start kontrollierte ich während des Anziehens meines Neoprens nochmals meinen BZ: 272mg/dl. Nun sank mir der Blutzuckerwert doch etwas zu schnell. Wegen des vorher abgegebenen Bolus und der kommenden Belastung von 3,8km Schwimmen nahm ich noch schnell ein Sponser Gel mit 29g KH zu mir. Nun verstaute ich das Testgerät im Zielbeutel, lies mir von einem anderen Athleten den Neo schließen und sprintete zum Start, da meine Startgruppe bereits aufgerufen worden war. Ich ging gleich als einer der ersten meiner Startgruppe ins Wasser und schwamm schnell bis zur Startlinie. Kurze Zeit später erschallte auch schon der Startschuss  und die Schwimmer setzten sich in Bewegung. Anfangs gab es noch ein paar kurze Reibereien unter den Startern, aber insgesamt verlief der Start sehr diszipliniert. Ich fand schnell meinen Rhythmus und hatte ein gutes Gefühl beim Schwimmen. Nach kurzer Zeit überholte ich auch schon die ersten Schwimmer aus den vorderen Startgruppen. Bis ca. 500m nach der Wende hatte ich gar keine Probleme. Dann meldeten sich bei mir wieder mal leichte Krämpfe in den Waden. Aber wegen des am Rande flachen Wassers in Roth konnte ich diese sofort rausdehnen. Insgesamt musste ich wegen drohender Krämpfe drei kurze Stops einlegen. Nach 01:13:49 stieg ich aus dem Kanal und machte mich auf zu meinem Rad. Dort kontrollierte ich als erstes gleich meinen BZ, der bei 99 mg/dl lag. Der Wechsel verlief ohne Probleme und ich versorgte mich wegen dem etwas niedrigen Wert gleich mit einem Gel.

Um sicher zu gehen, kontrollierte ich bereits kurze Zeit später wieder meinen BZ. Dieser war nun auf einen Wert von über 250 mg/dl angestiegen. Also gab ich einen leichten Korrekturbolus von 1 IE ab. Bei der nächsten Kontrolle kurze Zeit später war der BZ aber noch weiter angestiegen, so dass ich mir langsam Sorgen machte, ob mit meiner Insulinpumpe alles in Ordnung war. Nach 40 km auf dem Rad hatte der BZ dann schon einen Wert von 350 mg/dl erreicht und langsam begann mich eine gewisse Panik zu ergreifen. Ich gab deswegen nochmals einen Bolus von 1 IE ab.  Aber kurz danach kam die ersehnte Entwarnung, der BZ war auf 320 mg/dl gefallen. Auch bei den folgenden Kontrollen näherte er sich langsam wieder normalen Werten an. Bis dahin hatte ich mich bis auf das Gel direkt nach dem Wechsel, nur von Wasser ernährt, nicht gerade die ideale Voraussetzung um eine Langdistanz zu überstehen. Als der Blutzuckerwert dann aber bei 200 mg/dl lag, nahm ich wieder ein Gel zu mir, um die Energiespeicher langsam aufzufüllen und um den Abfall des BZ abzufedern. Die Beine fühlten sich bis dahin eigentlich ganz gut an, auch wenn ich nicht ganz das erhoffte Tempo fuhr. Die Unterstützung durch die Zuschauer entlang der Strecke war überragend und am Solarer Berg kam ein richtiges Tour-de-France-Feeling auf.

In der weitem Radrunde waren meine BZ Werte in einem tolerierbarem Bereich, nur einmal war der Wert etwas niedrig. Mit der Nahrungsaufnahme klappte es nun auch ohne Probleme und ich gab nur manchmal einen kleinen Bolus ab, um größere Mengen an Kohlenhydraten auszugleichen. Allerdings lief es bei mir in der zweiten Radrunde nicht mehr so gut. Irgendwie konnte ich nicht das gewünschte Tempo fahren und ich wollte auch nicht zu viel riskieren, denn immerhin wollte ich heute auch noch den ersten Marathon meines Lebens laufen. Den Wechsel vom Radfahren zum Laufen absolvierte ich problemlos und ich fand auch schnell mein angestrebtes Anfangstempo von 5:00 min/km. Als ich mich auf meinem ersten Laufkilometern befand, kam mir die wie entfesselt laufende Chrissie Wellington entgegen. Es war schon unglaublich, zu welchem Tempo sie noch fähig war. Für mich waren die km 3 und 4 sehr hart. Ich hatte zwei Krämpfe auf der rechten Oberschenkelrückseite, die ich aber zum Glück rausdehnen konnte. Vielleicht war dies eine Folge der unzureichenden Nahrungsaufnahme auf den ersten 60 Radkilometern. Danach ließ ich es erstmal ruhiger angehen und steigerte mich nur langsam wieder zu meinem angestrebten Lauftempo. Ab nun fand sich neben mir Rene ein, mein Laufpartner für die nächsten 35 km Richtung Ziel. Bei den Blutzuckerkontrollen während des Laufes lagen die Werte oft unter 100 mg/dl, gefühlt eindeutig zu niedrig. Ich strebte eigentlich Werte über 100 mg/dl an um immer einen Sicherheitspuffer nach unten zu haben. Deswegen nahm ich an jeder Verpflegungsstelle Kohlenhydrate zu mir. Ich reduzierte auch die Basalrate meiner Insulinpumpe auf 40 % und bei km 35 auf 20%. Mein Lauftempo verringerte sich von rund 5:00 min/km auf ca. 5:30 min/km bei km 20. Dieses Tempo konnten Rene und ich dann bis zum Ziel konstant halten. Bei dem Lauf entlang des Kanals herrschte Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen, also ideale Laufbedingungen.

In den Stimmungsnestern entlang der Strecke wurden wir Läufer begeistert angefeuert und die Kilometer am Kanal vergingen wie im Fluge. Auf der kurzen Runde durch die Rother Innenstadt konnte man bereits das Gefühl des sicheren Finish schmecken. Die letzten 500 m mit dem Zieleinlauf im Triathlonpark vor begeisterten Zuschauern waren dann wie ein einziger Rausch.

Glücklich nahm ich meine Medaille und mein Finisher Shirt entgegen und freute mich über die erbrachte Leistung. Da ich auf der Laufstrecke soviel gegessen hatte, konnte ich von der Zielverpflegung fast nichts zu mir nehmen. Mir schmeckten nur zwei alkoholfreie Weißbier und ich zwang mich zu einer Laugensemmel. Erst bei meiner Ankunft zurück in Ulm um 23:30 Uhr konnte ich  endlich eine größere Portion Kohlenhydrate essen. Meine Insulinpumpe lief den ganzen Abend auf 40 % Leistung und auf 60 % während der Nacht. Trotz allem blieb mein BZ im normalen Bereich. Die Erholung die nächsten Tage verlief überraschend gut, ich verspürte nur einen leichten Muskelkater und kam die Treppen ohne Probleme rauf und runter.

Meine Blutzuckerkurve während der Challenge Roth:

Mir hat die Challenge Roth unglaublich viel Spaß gemacht und mit der Zeit von 10:43 hatte ich auch mein persönliches Ziel von unter 11 Stunden erreicht. Bei meinen nächsten Triathlons werde ich aber verstärkt darauf achten, ob der BZ nach dem Schwimmen immer so ansteigt und wenn ja, versuchen dies durch eine frühzeitige Bolusgabe zu verhindern. Außerdem wird es auch interessant zu beobachten sein, ob bei extrem langen Belastungen der Insulinbedarf immer so stark sinkt.

Schöne Grüße aus Irland, Philipp

3 Gedanken zu “Challenge Roth

  1. Wow, Respekt! Da hast du deine ganze Energie nicht nur in den Wettkampf gesteckt, sondern auch ins Blutzucker messen und korrigieren. Ich finde es auch nach 14 Jahren Diabeteskarriere immer noch sehr schwierig, besonders im Sport, den Blutzucker im optimalen Bereich zu halten.

    Vor Wettkämpfen steigt mein Blutzucker immer hoch an und es ist für mich eine wahnsinnige Herausforderung, sogar eigentlich unmöglich, diesen im Normbereich zu halten. Während des Trainings klappt das viel besser ;). Da kommen die vielen Hormone ins Spiel. Geht dir vielleicht/wahrscheinlich ähnlich?

    • Hallo Steff,
      das mit dem testen während Sport ist nach jahrelanger Übung inzwischen kein Problem mehr. Zumindest wenn das Wetter passt. Den Blutzucker während des Sports in einem optimalen Bereich zu halten ist wirklich manchmal schwierig, vor allem im Wettkampf kommt es öfters zu unvorhergesehenen Blutzuckeranstiegen. Richtige Hypos sind bei mir dagegen eher selten. Liegt wahrscheinlich wirklich oft an der Hektik im Wettkampftrubel. Man muss dann halt wirklich vorsichtig korrigieren, sonst rauscht er gleich in den Keller. Aber ich musste noch nie einen Wettkampf aufgeben. Deswegen: Diabetes ist kein Grund keinen Sport zu treiben und nicht an Wettkämpfen teilzunehmen.
      Gruß,
      Philipp

  2. Hi Philipp,
    ja beim Korrigieren bin ich auch immer sehr vorsichtig. Das Problem ist bei mir auch die Angst vor einer Unterzuckerung. Deswegen bin ich übervorsichtig und der Blutzucker steigt :/. Das ist vor allem bei meinen Spinning-Stunden ein Problem. Als Trainer habe ich dann auch viel Verantwortung. Aber auch im Wettkampf muss ich aufpassen, nicht zu übervorsichtig zu handeln, um Blutzuckeranstiege zu vermeiden. Hohen Blutzucker merke ich immer, wenn die Muskeln dicht machen. Kennst du das?
    Liebe Grüße
    Steff

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